Ein jüdischer »Steirerbua« erobert Schanghai
Seit 170 Jahren verbindet die Annenstraße in Graz den Bahnhof mit der Innenstadt. In den siebziger Jahren war sie die drittgrößte Einkaufsstraße Österreichs. Das sei heute kaum vorstellbar, meint der Historiker Kubinzky 2008, aber wahr: "Die Annenstraße (1846) wurde Jahrzehnte vor der Motorisierung als frühgründerzeitliche Prachtstraße geplant. Fußgänger, Kutschen, Fuhrwerke und auch Reiter waren über Jahre ihre einzigen Benutzer. Manche ältere Häuser haben noch die typische Kutscheneinfahrt mit Prellsteinen und ehemaligen Stallgebäuden im Hof. Am Beginn der Karriere der Annenstraße stand 1844 der erste bescheidene Bahnhof mit der nur bis Mürzzuschlag führenden Eisenbahnstrecke. Zehn Jahre später konnte man schon über den Semmering nach Wien fahren, ab 1857 sogar nach Triest.
Helmut Spielmann:
"Shanghai -
eine Jugend im Exil"
Herausgegeben von
Gerald Lamprecht und
Ingeborg Radimsky.
Clio Verlag Graz 2015
Preis: Euro 18.00
Für die vielen Pendler, die Tag für Tag durch die Annenstraße in Richtung Innere Stadt unterwegs waren, waren jedoch die lokalen Bahnstrecken, wie jene nach Köflach (1860), von größerer Wichtigkeit. Seit 130 Jahren nutzt der öffentliche Verkehr unsere 'Bahnhofstraße'.(...) Zuerst war es die Pferdetram (1878), dann ab 1899 die Elektrische. (...) Was wäre die Annenstraße ohne das Annenhofkino? Schräg gegenüber gab es durch Jahrzehnte das Unionkino (ehemaliges Edisonkino), das zuletzt durch seine Abenteuerfilme populär war."
Vor dem ehemaligen Unionkino liegen heute 8 Stolpersteine und sollen an die Familie Spielmann erinnern, was mit einem Vierzeiler bis Neunzeilern nicht geht. Auf dem ersten Stein steht: "Hier wohnte Wilhelm Spielmann Jg. 1876. Enteignet 13.10.1938. Flucht 1939. Palästina. Überlebt." Dass der Stein in der Annenstraße liegt, ist richtig und wichtig, nicht weil er hier mal wohnte, sondern deshalb, weil sich sein ganzes Berufsleben und das seiner Großfamilie in der Annenstraße abspielte. Wilhelm war der erste der aus Nikolsburg eingewanderten Spielmanns, der in der Fremde zur Welt kam und seine Ausbildung zum Kaufmann in der Annenstraße 22 machte. Hier im Kleiderhaus Albert Kern war er Lehrling (1891-1894) und Geselle (1895-1907). Und sein erstes Geschäft gründete er 1908 mit dem Schneidermeister Leonhard Urnaut in der Annenstraße 25. Zu seinem Geschäft in der Annenstraße 34 kam er 1914 durch seine Beteilung am Umbau des Kienzl-Gebäudes zu einem Kino und er bekam damit die Chance, die von der Gewerbeordnung verlangte Trennung von Maßschneiderei und Konfektion zu praktizieren. Er besaß nun zwei Geschäfte in der Annenstraße. Im Haus Nr. 25 einen Kleidermacherladen. Im Haus Nr. 34 verkaufte er Konfektion, die Spielmann zu einem führenden Herrenausstatter neben dem Kino entwickelte. Hier konnten sich der elegante Herr nach dem Kino die Saccos kaufen, die seiner Begleiterin an ihrem Filmliebling so gut gefielen. In Spielmanns Schaufenstern hingen die weißen Zweireiher und die eleganten Fracks, die die Gangster in den Hollywoodfilmen überlebensgroß auf der Kinoleinwand nebenan trugen.
Das Kino wurde von Karl Löffler gegründet. Er nannte es Edison Theater. Zwei Tage vor der Eröffnungsvorstellung am 14. Juli 1910 schrieb die "Tagespost":
"Dieses neue Unternehmen ist in vornehmem Stil ausgeführt, der seinen Schöpfern das beste Zeugnis für ihren künstlerischen Geschmack und ihr technisches Verständnis ausstellt. Man gelangt zunächst in einen breiten hellen Vorraum, in dessen Mitte sich zwei Kassen befinden. Links vom Eingang befinden sich hübsche Büfetträume, davon einer in holländischem Genre. Aus der Vorhalle gelangt man in einen reizenden, täuschend nachgeahmten Garten mit japanischen Ampeln, der für die Garderobe bestimmt ist. Weiße und lilafarbige Fliederbäume flankieren den Eingang, Kirsch- und Apfelblüten sowie Goldregen- und Glyciniengirlanden ranken sich von Traverse zu Traverse, die das Glasdach tragen, das den breiten Raum vollständig überdeckt, ohne ihm die Tageshelle zu nehmen.
Ein sehr gefälliges Aussehen gewährt das Innere des Theaters. Der Saal ist 21 Meter lang, 12 Meter breit, 8 Meter hoch und in diskreter Goldverzierung in Weiß gehalten, was einen sehr freundlichen Eindruck verleiht. Er hat einen Fassungsraum für 550 Personen. Außer dem großen Parterre hat das Edison-Theater im ersten Stockwerke Logen, Balkon- und Galeriesitze. Der Orchesterraum ist ebenfalls geräumig gehalten. Die Bildfläche hat eine Größe von 5,8 Meter Breite und 4,6 Meter Höhe. Die Akustik des Saales scheint gut zu sein.
(...)
Mit diesem Theater erhielt Graz das schönste dieses Kunstzweiges in Österreich, mithin eine an sich allein beachtenswerte Sehenswürdigkeit ... " (149)
In der Annenstraße wusste jeder jüdische Kaufmann, was seine christlichen Kunden ihren Lieben zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten schenkten. Aber Spielmann vergaß darüber nicht seine Herkunft aus dem jüdischen Bildungsbürgertum von dem berühmten Nikolsburg in Südmähren. Er schenkte seinem Neffen kein Buch des deutschnationalen Dichters Peter Rosegger, dem zu Ehren in der Annenstraße ein ganzes Eckhaus gewidmet wurde. Er schenkte seinem Neffen einen dreibändigen Lessing, herausgegeben von Heinrich Laube. Und er verlangte von seiner christlichen Schwägerin, dass sie für Pessach kein steirisches Osteressen auftischte, sondern jüdische Küche kochen lernte. Wilhelm Spielmann, seine Frau Amalia und seine Tochter Grete emigrierten nach Palästina. Amalia starb 1944. Vater und Tochter erlebten die Gründung des Staates Israel.
Familie Wilhelm Spielmann, ©Susi Touma
Kommentar des Militärhistorikers Erwin Schmidl
Es ist schon bemerkenswert, wie sehr der so gern zitierte Karl Kraus antisemitische Stereotype benützt - hier etwa der Verweis auf den "dicke[n] Jud vom Automobilkorps: 'Sein Bauch ist der Moloch. Seine Nase ist eine Sichel, von der Blut tropft.'" Könnte fast aus dem "Stürmer" stammen.
Das hier angesprochene k.k. Freiwillige Automobilisten-Korps war übrigens, 1906 aufgestellt, eine recht junge Formation: Besitzer von Automobilen - damals per definitionem reich und daher von Kraus als "jüdisch" konnotiert - konnten mit ihren Autos einrücken, um dem Militär im Falle der Mobilisierung genügend Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Sehr modern - d.h. im Erscheinungsbild sehr englisch - adjustiert, waren sie vielen Traditionalisten ein Horror. Ein Tipp zum Weiterlesen: Albert Lorenz (der ältere Bruder des späteren Nobelpreisträgers Konrad Lorenz) war Arzt und begeisterter Autofahrer; 1963 erschien sein Buch "Alte Autos, junge Liebe" (Wien: Kremayr & Scheriau, 1963).
Bei dieser Gelegenheit übrigens noch der Hinweis, dass die üblichen Klischees ("Alle Juden dienten beim Train [= dem Nachschub] oder in der Sanität" oder auch "Alle Militärärzte waren Juden") nicht stimmen - sie verweisen auf traditionelle, aber unbegründete Vorurteile von "jüdischer Feigheit" oder Drückebergerei. Im Ersten Weltkrieg dienten rund 300.000 Juden in der k.u.k. Armee; etwa 30.000 fielen. Über 90 % der jüdischen Soldaten dienten in der Kampftruppe, die meisten in der Infanterie.
Das Gedicht Ottokar Kernstocks (aus dem Band "Steirischer Waffensegen") zeigt - für heutige Leser erschreckend - wie sehr die damalige Kriegseuphorie auch die Literaten erfasst hatte. Allerdings zeigen ja aktuelle Beispiele - vom ehemaligen Jugoslawien bis nach Syrien -, wie leicht Menschen fanatisiert werden können.
Antisemitismusforschung
www.feuchtwanger.de
www.ich-war-jud-suess.de
Fortsetzung im Juni in der Folge 12/12 auf www.DerInternetlink.de
unbekannte Aufnahme aus dem Web
La primera vez que me he informado sobre la producción de leche fue este año en semana santa. Lo que pasa es que he elegido hacer una presentación en mi clase de español sobre las ventajas y disventajas de que los españoles consumen aceite de oliva en vez de comer tanta mantequilla como el austriaco. En el proceso de prepararlo he encontrado muchas cosas de cuales no estuve consciente. Nunca fui un gran fan de leche pero a veces me tomé un colacao. Supe antes que muchas vacas viven bajo muy malas condiciones. De que nunca pensé es que exactamente como nosotros humanos, la vaca femenina solo da leche cuando tiene hijo. Esto signífica que el agricultor insemina las vacas artificialmente para que las puede ordeñar. Directamente después del nacimiento se separa el ternero de su madre para que no se forma una conexión emocional. Si se separa los dos animales cuando esta conexión emocional ya existe la madre pudiera dejar de dar tanta leche por el dolor de dispedida. Esto no es, segun todas las informaciones que encontré, diferente para las vacas de los agricultores orgánicos. Sobre todo después de esta perspicacia empecé de tomar mi café con leche de avena en vez de la leche de vaca. Pero sin embargo del momento no puedo dejar de tomar lácteos completamente. De mi vista es sobre todo lo más importante saber que impactos tu compartamiento tiene. De los otros problemas de la industria láctea como por ejemplo la mucha mas baja expectativa de vida de una rejega en comparación con una vaca "normal" no empecé ni de hablar y ya he facilitado mucho material para leer.
Was Wien die Mariahilfer Straße ist Graz unsere Annenstraße.
In: Stadt Graz (Hg.), Die Grazer Annenstraße. Ansichten und Mobilität einst. 2008, S. 15
Karl Kraus
DIE LETZTEN TAGE
DER MENSCHHEIT
Tragödie in 5 Akten mit Vorspiel und Epilog. Über 200 lose Szenen. Satire auf den Ersten Weltkrieg. Entstanden in den Jahren 1915-1922.
Quelle: wikimedia.org
I. Akt: 22. Szene
Optimist und Nörgler vor dem Kriegsministerium in Wien
Der Nörgler: Die Masken an der Fassade dieser Sündenburg, die rechts schaut und links schaut machen, sind heute besonders stramm orientiert. Wenn ich länger auf einen dieser entsetzlichen Köpfe schaue, bekomme ich Fieber.
Der Optimist: Was haben Ihnen diese alten martialischen Typen getan?
Der Nörgler: Nichts, nur daß sie martialisch sind und dennoch den Sendboten Merkurs den Eintritt nicht wehren konnten. Zu aller Blutschlamperei noch dieser mythologische Wirrwarr! Seit wann ist denn Mars der Gott des Handels und Merkur der Gott des Krieges?
Der Optimist: Der Zeit ihren Krieg!
Der Nörgler: So ist es. Aber die Zeit hat nicht den Mut, die Embleme ihrer Niedrigkeit zu erfinden. Wissen Sie, wie der Ares dieses Krieges aussieht? Dort geht er. Ein dicker Jud vom Automobilkorps. Sein Bauch ist der Moloch. Seine Nase ist eine Sichel, von der Blut tropft. Seine Augen glänzen wie Karfunkelsteine. Er kommt zum Demel gefahren auf zwei Mercedes, komplett eingerichtet mit Drahtschere. Er wandelt dahin wie ein Schlafsack. Er sieht aus wie das liebe Leben, aber Verderben bezeichnet seine Spur.
Der Optimist: Sägen Sie mir, ich bitt Sie, was haben Sie gegen den Oppenheimer?
III. Akt: 32. Szene
Eine stille Poetenklause im steirischen Wald
Ein Kernstock-Verehrer: Pst - leise - da sitzt er, ganz versunken -
Ein zweiter Kernstock-Verehrer: Von hier aus sendet er seine Lieder ins Land, Lieder von kraftvoller, dabei doch sinniger und oft unbeschreiblich zarter Eigenart, Lieder -
Der Erste: Ei, es sollte mich wundern, wenn er nicht eben -
Der Zweite: So scheint es. Still! Alle seine Hörer werden, entflammt an seiner Flamme, das Empfangene dereinst als Lehrer tausendfältig weitergeben und in die Herzen einer neuen Jugend wird versenkt werden, was dieser eine Mann auf seiner waldumrauschten, einsamen Burg in jahrzehntelanger Arbeit ergründete.
Der Erste: Fürwahr, der Pfarrherr von der Festenburg ist ein Mann, der mit feuriger, begnadeter Zunge alle lebendigen Schönheiten der Gotteswelt zu preisen versteht. Still!
Der Zweite: Pst - es scheint über ihn gekommen zu sein. Wird es ein Gedicht oder ein Gebet?
Kernstock (murmelt):
Bedrängt und hart geängstigt ist
Dein Volk von fremden Horden,
Durch Übermut und Hinterlist
Mit Sengen und mit Morden.
Der Erste: Ei das kenne ich schon. Das ist ja das Gebet vor der Hunnenschlacht.
Kernstock (murmelt):
O Herr, der uns am Kreuz erlöst,
Erlös' uns von der Hunnenpest!
Kyrie eleison!
Der Zweite: Kein Wunder, daß er die Berufung nach Wien angenommen hat. Geadelt durch seinen Priesterberuf, muß er auch als Mensch die allertiefste und nachhaltigste Wirkung auf seine jugendlichen Zuhörer ausüben.
Kernstock (murmelt):
Mit uns sind die himmlischen Scharen all,
Sankt Michel ist unser Feldmarschall.
Der Erste: Einen Augenblick lang wird ja der Pfarrherr von der Festenburg gezögert haben, seine verträumte, stille Poetenklause im steirischen Wald mit dem Lärm der Großstadt zu vertauschen. Einen Augenblick lang nur -
Kernstock (murmelt):
Da winkte Gott - der Rächer kam,
Das Racheschwert zu zücken
Und, was dem Schwert entrann, im Schlamm
Der Sümpfe zu ersticken.
Der Zweite: Dann aber wird wohl die Erkenntnis in ihm gesiegt haben, welch hoher Beruf sich ihm hier erschließt, welch neue Möglichkeiten ethischer, künstlerischer, kulturfördernder Betätigung sich ihm in Wien bieten. Und die Stimme dieser Erkenntnis wird bald die Oberhand gewonnen haben über das verlockende Rauschen der Tannenforste um die Festenburg.
Beide: Still!
Kernstock (wie überwältigt):
Steirische Holzer, holzt mir gut
Mit Büchsenkolben die Serbenbrut!
Steirische Jäger, trefft mir glatt
Den russischen Zottelbären aufs Blatt!
Steirische Winzer, preßt mir fein
Aus Welschlandfrüchtchen blutroten Wein!
Der Erste: Es ist nichts Neues, aber es reißt immer von Neuem fort. Der Augenblick ist da. Wenn wir ihn jetzt beim Wort nehmen und ihm als schwärmerische Jünglinge unsere Stammbücher hinhalten, so wär's eine Erinnerung fürs Leben.
Der Zweite: Fürwahr, das wollen wir!
DER PRIESTER
Das Hakenkreuz (1923)
Das Hakenkreuz im weißen Feld
Auf feuerrotem Grunde
Gibt frei und offen aller Welt
Die hochgemute Kunde:
Wer sich um dieses Zeichen schart.
Ist deutsch mit Seele, Sinn und Art
Und nicht bloß mit dem Munde.
Das Hakenkreuz im weißen Feld
Auf feuerrotem Grunde -
Zum Volksmal ward es auserwählt
In ernster Schicksalsstunde,
Als unter Schmerzen, heiß und tief,
Das Vaterland um Hilfe rief,
Das teure, todeswunde.
Das Hakenkreuz im weißen Feld
Auf feuerrotem Grunde
Hat uns mit stolzem Mut beseelt.
Es schlägt in unsrer Runde
Kein Herz, das feig die Träne bricht.
Wir fürchten Tod und Teufe nicht!
Mit uns ist Gott im Bunde!
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