Buch
Stol­per­stein An­nen­straße 34, Graz
Stei­er­mark, Ös­ter­reich. Fo­to: Da­nie­la Gra­be
Glo­bal Po­si­tio­n­ing Sys­tem (GPS)
47° 07' 12.74" Nord,15° 42' 62. 77" East
Der

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Fol­ge 5(13)

No­vem­ber 2015
Tech­ni­sche Uni­ver­sität Ber­lin. Me­di­en­wis­sen­schaft. Pra­xis­pro­jekt
IFAM: Das In­sti­tut für an­ge­wand­te Me­di­en­wis­sen­schaft - Fried­rich Knil­li (ifam-ber­lin.de)
  1. Fried­rich Knil­li

    Ein »Stei­rer­bua« er­obert Schang­hai

    Li­on Feucht­wan­ger emi­grier­te als gut ver­die­nen­der Au­tor ei­nes in­ter­na­tio­na­len Buch­mark­tes und leb­te den Rest sei­nes Le­bens im Exil. Na­he Hol­ly­wood. "Vie­le eng­te das Exil ein," me­di­tier­te er, "aber den Bes­se­ren gab es ei­ne Wei­te, Elas­ti­zität, es gab ih­nen Blick für das Große, We­sent­li­che und lehr­te sie, nicht am Un­we­sent­li­chen zu haf­ten ... Vie­le von die­sen Emi­gran­ten wur­den in­ner­lich rei­fer, er­neu­er­ten sich, wur­den jün­ger..." Und was, lie­ber Exil­spe­zia­list, pas­sier­te mit den be­reits Jün­ge­ren, mit den ver­trie­be­nen Kin­dern und Ju­gend­li­chen?

    Fünf­tes Ka­pi­tel
    Vier im Jeep

    Für un­se­ren 15jäh­ri­gen Stei­rer­buam war das Exil wie sich spä­ter her­aus­stell­te, der ein­zi­ge Höhe­punkt sei­nes gan­zen Le­bens. Denn da sag­te ein ame­ri­ka­ni­scher Of­fi­zier im Au­gust 1945 in Shang­hai zu ihm und sei­nen Freun­den ganz spon­tan:

    BuchHel­mut Spiel­mann:
    "Shang­hai -
    ei­ne Ju­gend im Exil"

    Her­aus­ge­ge­ben von
    Ge­rald Lam­precht und
    In­ge­borg Ra­dims­ky.
    Clio Ver­lag Graz 2015
    Preis: Eu­ro 18.00

    "'OK, boys, you 're hi­red!' Wel­cher Sta­tus? Spe­cia­lists third class, at­ta­ched 10 HQ Com­pa­ny. 701s1 M.P.Bat­ta­li­on, CB1, P. r (Chi­na-Bur­ma-In­dia, Pa­ci­fic Thea­ter of war). Aus­wei­se, die dies be­s­tä­tig­ten, PX-Pri­vi­le­gi­en, Uni­form on ba­se/off ba­se, Dienst nach Not­wen­dig­keit, call-in je­den Mor­gen um O-se­ven hund­red hours, sonst noch was?"

    Die ers­te Amts­hand­lung fand am 2. Sep­tem­ber 1945 statt. Ver­hört wur­de ein Of­fi­zier der ja­pa­ni­schen Ha­fen­po­li­zei, da­nach ein Oberst und vie­le an­de­re. Hel­muts Auf­ga­be war, die Fra­gen des In­tel­li­gence Of­fi­cer zu über­set­zen. Es ging um Miss­hand­lun­gen, Er­schießun­gen, Fol­te­run­gen von Zi­vi­lis­ten, ge­fan­ge­nen Flie­gern, Bord­schüt­zen, auch um Froschmän­ner der US-Na­vy. Die meis­ten ha­ben ge­re­det und ih­re Ka­me­ra­den und Vor­ge­setz­ten an­ge­schwärzt. Wenn die Büro­ar­beit er­le­digt war, kon­trol­lier­ten der Stei­rer im Jeep die nächt­li­chen Straßen von Shang­hai, wo das US-Mi­litär ge­ra­de den Ver­kehr von links nach rechts um­stell­te. Den Jeep lenk­te ein Ame­ri­ka­ner, ne­ben ihm saß ein MP der C.N.A., hin­ter dem Fah­rer saß Hel­mut Spiel­mann und da­ne­ben ein chi­ne­si­scher Stadt­po­li­zist, der als ein­zi­ger Zi­vi­lis­ten an­hal­ten durf­te. Die "Vier im Jeep" er­in­nern an die Be­sat­zungs­zeit in Wien.

    War­um Hel­mut Spiel­mann nicht in die USA aus­wan­der­te, er­fah­ren sie in den nächs­ten Ka­pi­teln, auch war­um mit dem En­des des Krie­ges und der Heim­kehr in die Stei­er­mark die ei­gent­li­che Tra­gö­die sei­ner Ver­trei­bung und sei­nes Le­bens be­gann. Die wich­tigs­ten Stich­wor­te: Die Rol­len sei­ner El­tern. Die sei­ner Ver­wand­ten: Der Tod von Hans Spiel­mann. Die Aus­wan­de­rung von Ernst Spiel­mann. Die Heim­kehr Wal­ter Kohns. Der ka­tho­li­sche An­ti­se­mi­tis­mus und An­ti­kom­mu­nis­mus in der Stei­er­mark. Die deutsch­na­tio­na­len Kauf­leu­te und die Be­am­ten in den Ver­wal­tun­gen der Ge­mein­den, des Lan­des und des Bun­des. Die Ver­kit­schung des Ho­lo­caust.

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    An­ti­se­mi­tis­mus­for­schung
    www.feucht­wan­ger.de
    www.ich-war-jud-su­ess.de


    Fort­set­zung im De­zem­ber in der Fol­ge 6/12 auf www.Der­In­ter­net­link.de


    ISAS NACH­FOR­SCHUN­GEN

    ISA: Wir re­den von Wien 45, wäh­rend der Be­sat­zungs­zeit. Von den 4 im Jeep.
    CAR­LA: Al­so für mich war die Rus­sen­zeit schwie­rig. Ich war noch ein Kind, Jahr­gang 1938. Aber mit 17 nach dem Thea­ter nach Hau­se ge­hen, war äußerst ge­fähr­lich. Wenn du da ei­nem be­sof­fe­nen Rus­sen oder meh­re­re ge­trof­fen hast: sehr ge­fähr­lich, ja. Ich bin aber trotz­dem im­mer al­lei­ne ge­gan­gen, es hat mich nie je­mand ab­ge­holt.
    HIL­DE­GARD: Aber da muss man da­zu sa­gen, dass die Rus­sen ei­nen Hass auf die Deut­schen und die Ös­ter­rei­cher hat­ten.
    CAR­LA: Das kann man nicht ein­mal sa­gen
    HIL­DE­GARD: Al­so ei­gent­lich al­le hat­ten ei­nen Hass auf die Deut­schen und die Ös­ter­rei­cher
    ISA: Und war­um?
    HIL­DE­GARD: Ja weil die Deut­schen ein­fach über die Län­der her­ge­fal­len sind.
    CAR­LA: Die Deut­schen ha­ben ja den Krieg an­ge­zet­telt und dann ha­ben sie den gan­zen Krieg nach ganz Eu­ro­pa ge­tra­gen
    ISA: Aber war­um auch auf Ös­ter­reich?
    CAR­LA: Ös­ter­reich hat sich an­ge­schlos­sen an Deutsch­land. Und Hit­ler war ja ge­bo­re­ner Ös­ter­rei­cher, der war ja in Brau­nau, in Oberös­ter­reich ge­bo­ren und da er als Ma­ler to­tal ein Flop war, al­so to­tal ver­sagt hat, hat er ei­nen Hass auf die Ös­ter­rei­cher ir­gend­wie ge­habt
    ISA: Nur weil er was nicht ge­schafft hat?
    CAR­LA: Ja, so­zu­sa­gen.
    VA­LEN­TIN: Al­so es sind vie­le dann auch mit­ge­gan­gen oder ha­ben Kin­der von ih­nen. Da gab es auch ei­ne Se­rie im Fern­se­hen, "Die Be­sat­zungs­kin­der". Dann ha­ben wir da auch so vis-a-vis das Gast­haus ge­habt und da sind die Rus­sen da auch ge­we­sen, aber so die net­te­ren, die Of­fi­zie­re und so. Die woll­ten ein­fach nur Kon­takt mit den Leu­ten und da ha­be ich ei­ne Freun­din ge­habt, die hat halt oft zu­gehört, was die Rus­sen so er­zählt ha­ben. Die ha­ben halt schon viel Heim­weh ge­habt, die ha­ben ih­re Fa­mi­li­en zu Hau­se ge­habt, die ha­ben ja auch müs­sen, so wie mein Va­ter der hat ja auch nicht frei­wil­lig ge­dient.
    ISA: Aber es gab schon auch wel­che, die frei­wil­lig da wa­ren
    VA­LEN­TIN: Ja, es hat in der Fa­mi­lie auch wel­che ge­ge­ben, die schon bei der Par­tei wa­ren vor­her. Al­so, du meinst die von der Be­sat­zung, nein, die wa­ren nicht frei­wil­lig da, die muss­ten, die sind ein­ge­zo­gen wor­den.
    ISA: Al­so und die hat­ten auch Heim­weh?
    VA­LEN­TIN: Al­so die Ame­ri­ka­ner ha­ben sich glau­be ich schon frei­wil­lig ge­mel­det so­weit ich weiß. Über­haupt, die muss­ten nicht, die Ame­ri­ka­ner. Und die Englän­der glaub ich auch nicht. Die Rus­sen muss­ten si­cher.

    Isa Knil­li, In­ter­view: "4 im Jeep"
    Interview

Hans Spielmann

Der Aschen­mensch von Bu­chen­wald
In der go­lem-ar­ti­gen Fi­gur des Aschen­men­schen wer­den Stim­men Er­mor­de­ter laut.

Bei Re­no­vie­rungs­ar­bei­ten im Kre­ma­to­ri­um der Ge­denks­tät­te des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers Bu­chen­wald macht ein Dach­de­cker im Au­gust 1997 ei­nen un­ge­heu­er­li­chen Fund: 700 Ur­nen mit der Asche von na­men­lo­sen Häft­lin­gen. Ers­te Rat­lo­sig­keit mün­det in dem Be­schluss, die Asche der To­ten, fünf­zig Jah­re nach de­ren Er­mor­dung, in ei­nem Ge­mein­schafts­grab bei­zu­set­zen.

Ba­sie­rend auf die­ser Be­ge­ben­heit lässt Ivan Ivan­ji, selbst einst Häft­ling des KZ Bu­chen­wald, aus den Ge­nen der an­ony­men Ver­stor­be­nen ei­ne neue Ge­stalt von my­thi­scher Wucht er­ste­hen: den Aschen­men­schen von Bu­chen­wald. In ihm ver­bin­den sich der­einst hin­ge­rich­te­te Bi­bel­for­scher und Kom­mu­nis­ten, christ­li­che Pries­ter und Ju­den, Zi­geu­ner und Be­rufs­ver­bre­cher und ei­ne ita­lie­ni­sche Prin­zes­sin - aber auch ein La­kai Goe­thes und ein jun­ger Deut­scher aus dem rus­si­schen Son­der­la­ger zu ei­nem wol­ken­för­mi­gen We­sen, das hin­ab­steigt vom Et­ters­berg nach Wei­mar. Sind die im Aschen­men­schen ver­sam­mel­ten In­di­vi­du­en Er­in­ny­en, ra­che­su­chen­de See­len Er­mor­de­ter? In ei­nem Stim­men­kon­zert der To­ten lässt Ivan­ji sie zu Wort kom­men, ih­re Ge­schich­ten er­zäh­len, nach Ge­mein­sam­kei­ten und Er­klä­run­gen su­chen.

»Sei­ne Ab­sich­ten hat der Aschen­mensch noch nicht for­mu­liert. We­der in Wor­ten noch im laut­lo­sen Plan. Das We­sen, al­ler­dings, das da ent­stan­den ist, be­ginnt, sein Un­we­sen zu trei­ben.«

Quel­le: Ivan Ivan­ji, Der Aschen­mensch von Bu­chen­wald.
Ro­man, 155 Sei­ten, ge­bun­den
mit Schutz­um­schlag,
ISBN 978-3-85452-429-8
18,90 Eu­ro inkl. MWSt.