Die allgemeine Wehrpflicht in der Habsburgermonarchie war für Juden eine rechtliche Gleichstellung und eine soziale Chance, für Antisemiten aber die Bewaffnung des inneren Feindes. Deshalb standen die 300.000 jüdischen Soldaten im Ersten Weltkrieg nicht selten zwischen zwei Fronten. Die Armeeführung versuchte mit einfallreichen PR-Aktionen, den Konflikt zu verharmlosen:
So lassen sie einen jüdischen Oberleutnant gestehen: "Ich habe beim Militär überhaupt einen Antisemitismus nicht gespürt und das habe ich [den Habsburgern] sehr angerechnet." (Schmidl 116)
Ein neunzehnjähriger Jude wurde in mehreren Schlachten verwundet und bekam die Bronzene und die Goldene
Tapferkeitsmedaille. (Schmidl 120)
Ein jüdischer Feldwebel berichtete von einer Zählung in der k. u. k. Armee , die "zu dem Ergebnis [gekommen wäre], dass der Anteil der Kriegstoten unter den jüdischen Soldaten um 20 Prozent höher war als ihr Anteil an der Bevölkerung". (Schmidl 119)
Ein solcher jüdischer Soldat war auch Helmuts Vater. Und der Vater war stolz auf Kaiser Franz Josef. Auch noch als 49jähriger Mann. 1938 in Dachau protestiert er gegen die Verhaftung mit dem Satz: "Ich habe für Österreich und den Kaiser gekämpft!" Mit Erfolg: Er wurde vorzeitig entlassen.
Helmut Spielmann:
"Shanghai -
eine Jugend im Exil"
Herausgegeben von
Gerald Lamprecht und
Ingeborg Radimsky.
Clio Verlag Graz 2015
Preis: Euro 18.00
Rudolf kam in der Monarchie zur Welt, am 9. November 1889 in Graz. Sein Vater war Abraham Spielmann. Seine Mutter Franziska (Fanni), geborene Polifka. Er besuchte die Volks-, dann die Bürger- und schließlich die Handelsschule in Graz mit dem Ziel in den Familienbetrieben seines Bruders und seiner Eltern mitzuarbeiten. Aber der Erste Weltkrieg änderte sein Leben. Rudolf lernte kämpfen mit leichten und schweren Waffen und den Nahkampf von Mann zu Mann. Und als der Krieg 1918 beendet wurde, fuhr er heim. Aber da gab es kein Zuhause mehr. Vater und Mutter waren tot und der dreizehn Jahre ältere Bruder Wilhelm war der Chef der Familie Spielmann in Graz und Wien. Er herrschte über eine Tochter, zwei Söhne und zwei gut gehende Kleidergeschäfte in der Annenstraße und über das Erbe des Halbbruders Emanuel.
Rudolf Spielmann brauchte zehn Jahre, um sich von dem habsburgischen Holocaust zu erholen. Die erste Gelegenheit über Morde zu reden, bekam er 1925. Paula kannte den Krieg von dem Gefangenenlager in Knittelfeld und konnte ihm zuhören. Die zweite Gelegenheit 1930 mit seinem Sohn Helmut, der von den Kriegsgeschichten und der Waffenkenntnis des Vaters fasziniert war. Daß er mit Vaters Kriegserfahrung gegen die Japaner kämpfte, erfuhr sein Vater nicht mehr. Er starb 1941. Aber er wäre sicher sehr stolz gewesen auf seinen Waffenbruder.
Kommentar des Militärhistorikers
Lieber Herr Professor Knilli!
also, zuerst einmal herzlichen Dank für die so lobende Erwähnung meines Buches und die anerkennenden Worte über das Erwähnen der Kollegen. Ich empfinde das eigentlich als ganz natürliches Dankeschön für all die Hinweise, ohne die ich diese Angaben nie gefunden hätte.
Zu Ihrem Text: sehr spannend und interessant, der gute Helmut Spielmann ist ja eine wirklich interessante Persönlichkeit und auch der Vater dürfte Einiges erlebt haben.
Ich würde folgende Punkte etwas anders sehen:
Sie schreiben: "Deshalb standen die 300.000 jüdischen Soldaten ..."
Ich glaube wirklich nicht, dass sich allzu viele jüdische Soldaten damals "zwischen zwei Fronten" gefühlt haben, und auch "die Armeeführung" hat das wohl nicht so gesehen. Warum auch? Im Zweifelsfall hatten die Juden eher noch mehr Motive, für diesen Staat zu kämpfen - dazu passt ja auch die spätere Aussage von Vater Spielmann, der offenbar stolz auf seinen Dienst in der k.u.k. Armee war.
Keinesfalls passt der Ausdruck von "einfallsreichen PR-Aktionen" zu den folgenden Zitaten. Denn der gute Oblt Kohn erzählte mir das mit dem nicht gespürten Antisemitismus rund acht Jahrzehnte nach dem Ende der Monarchie - eine PR-Aktion der Armeeführung war das wirklich keine. Und die jüdischen Soldaten wurden nicht wegen ihrer Religion ausgezeichnet, sondern eben wegen Tapferkeit usw.
PR-Aktionen des AOK bzw. der KPQ gab es natürlich sehr wohl - und keine schlechten - aber Juden waren da eher Akteure denn Zielgruppe.
Etwas später schreiben Sie vom "habsburgischen Holocaust" - das ist vielleicht Ansichtssache, aber ich würde das Kriegserleben nicht unbedingt als "Holocaust" bezeichnen - es sei denn, Spielmann selber hätte diesen Begriff verwendet.
Jedenfalls vielen Dank für die Nachfrage und ich finde es gut, dass Sie dieses Thema auch auf diese Weise behandeln.
Wo wird das denn erscheinen?
Viele liebe Grüße nach Berlin, wie stets,
Ihr Erwin Schmidl
Antisemitismusforschung
www.feuchtwanger.de
www.ich-war-jud-suess.de
Fortsetzung im März in der Folge 9/12 auf www.DerInternetlink.de
Beherbergen
Die Flüchtlinge, die wir unterstützen, sind zum einen in den Pfarren Akkonplatz und Baumgarten untergebracht, weiters sind es jugendliche Schutzbedürftige, welche seit einigen Wochen meine Schule besuchen, sowie von Lehrerinnen und Lehrern betreute Familien.
Betteln
Unsere erste Aktion fand im Herbst 2015 statt, gar nicht lang nach Schulbeginn. Geschenkt wurde uns Bekleidung, Schuhe Haushaltsware, Hygieneartikel, Lebensmittel und Bücher. Es war so viel, daß wir Stunden verbrachten, alles zu sortieren, und einen Kleinlaster leihen mußten, um es zur Verein Ute Bock zu fahren, wo alles dann weiterverteilt wurde.
Schnorren
An meiner Schule haben sich einige Lehrer, ein paar Schüler und wenige Eltern unter dem Namen "DieSchmelzHilft!" zusammengeschlossen und sammeln Geld, um damit Sachen zu kaufen, die Flüchtlinge gerade dringend brauchen.
Wettlaufen
Im Dezember 2015 organisierten wir den "Benefizlauf", bei dem jeder, der Beine hatte, Runden von ungefähr 550m lief und für jede Runde von einem selbstgesuchten Sponsor 1€ in die Kassa legte. Mittags fingen die ersten an zu laufen, die letzten endeten, als es bereits dunkel war. Der Abend fand einen netten Ausklang mit Musik der Lehrerband. Dieses Event kickte uns spendenmäßig mächtig nach vorne, unsere Einnahmen lagen bei einigen tausend €.
Musizieren
Im Januar 2016 fand unser genauso seit Monaten geplantes "Benefizkonzert" statt, bei welchem teils Schüler, teils Lehrer aber auch andere Menschen, die eine Connection zur Schule haben, musizierten. Das Atrium, in dem sich das Ganze abspielte, war rammelvoll mit Schülern, ehemaligen Schülern, Lehrern, Eltern, Bekannten und Verwandten. Die Einnahmen wurden noch nicht ausgezählt aber nach Augenmaß ist es ähnlich viel wie beim Benefizlauf.
Link zur Website von "DieSchmelzHilft!": dieschmelzhilft.wordpress.com/willkommenspaket/
Sigmund Freud
und Söhne
Das Buch ist eine Fundgrube. Denn Schmidl erzählt nicht nur die "große" Geschichte der Juden in der k.u.k. Armee, sondern überrascht mit vielen kleinen Geschichten, die seine Kollegen irgendwo fanden. Für die bedankt er sich sofort, was ganz ungewöhnlich ist. Denn im Normalfall wird gestohlen. Schmidl: "Als die Heeresleitung im Laufe des Krieges versuchte , durch den Austausch von Mannschaften die Einheiten zu vermischen , kam das bei den Soldaten nicht gut an. Das steirische Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 3 erhielt so neben 112 Ruthenen (Ukrainern) und 74 Polen vom Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 26 auch 64 Juden: 'In die Eigenart des Steirers passte dieses Gemisch nicht.' " Dazu Schmidl in der Fußnote 271: "Das Schützenregiment 3 im Weltkrieg (Graz o. J. [ca. 1930]), 263. Für diesen Hinweis danke ich meinem Freund und Kollegen Hofrat Dr. Wolfgang Etschmann."
Erbschaft
vom Halbbruder
Israelitische
Kultusgemeinde Wien
21.8.2012
Sehr geehrter Herr Prof. Knilli,
hier liegt nur eine einzige Eintragung vor:
Emanuel Spielmann, Privatier, ledig, geb. 24.2.1864 in Nikolsburg, zuständig nach Wien, gestorben am 23.10.1937 in Wien XIII, Hietzinger Hauptstr. 105 (Herzlähmung).
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Wolf-Erich Eckstein
Israelitische
Kultusgemeinde Wien
Matriken/Vienna
Jewish Records Office
phone +43-1-53104-172
fax -179
w.eckstein@ikg-wien.at